„Ah, Ihr fliegt in den Urlaub. Wie schön.
Ach, Du nimmst doch sicherlich einen Gangplatz im Flugzeug.
Da hat mehr Freiraum, so zum Gang hin.“
Ja, das ist oft eine Aussage von normal-sensiblen Menschen.
Das habe ich sogar viele Jahre lang geglaubt und mitgemacht.
Ich habe angenommen, dass dieser Platz auch für mich der Richtige ist.
Ich habe mir ganz unbewusst die Meinung und die Empfindung anderer Menschen einfach so überstülpen lassen.
Wieder mal wählten wir bei einem Flug für uns als Familie eine 3er Reihe und den Gangplatz gegenüber. Dann ist man ja gut im Kontakt. Da kann man doch auch mal schnell tauschen
- so von Gangplatz zu Gangplatz.
Sämtliche Kontrollen - inklusive Warteschlangen - vor dem Einstieg in das Flugzeug überstanden, hänge ich jetzt im Gang der Maschine fest. Die Massen an Handgepäck aller Fluggäste wollen ja verstaut und der richtige Sitzplatz gefunden werden.
Das kann mal etwas dauern ...
Pause
Vor dem Start habe ich das Vergnügen die Sicherheits-Anweisungen im direkten Zusammenspiel mit der Flugbegleiterin mitzuerleben, da sie mein Tischchen für ihre Utensilien als Ablage nutzt.
So weit - so gut.
Pause
Der Start: Langsam habe ich das Gefühl, ich gewöhne mich an das dabei entstehende Druckgefühl.
Gegen die dauerhafte Luftberieselung von der Klimaanlage setze ich die Kapuze meines Hoodies auf.
Pause
Kaum in der Luft hat ein älterer Herr drei Reihen vor uns das Bedürfnis, in Richtung Bord-Toilette an uns vorbeizurauschen. Er hat heute scheinbar eine Extra-Portion Rasierwasser aufgelegt.
Hin - und wieder zurück.
Pause
Nun macht sich die Bord-Crew auf den Weg, um bestellte Getränke und aufgewärmte, duftende (!) Snacks zu verteilen.
Hin - und wieder zurück.
Es heißt: „Heißgetränke kommen etwas später.“
Pause
„Oh je“ ruft die Mutter, die in der Reihe vor mir sitzt, „Ich glaube ich muss bei Ida mal die Windel wechseln“. So machen sich Mutter und klein Ida ebenfalls auf den Weg - an mir vorbei - in Richtung Bord-Toilette, auf dem Hinweg verbunden mit dem entsprechenden Geruch.
Hin - und wieder zurück.
Pause
Die versprochenen Heißgetränke werden nun verteilt. Ein Geruch-Mix aus Kaffee, Deo und eine Note von körperlichen Ausdünstungen zieht an mir vorbei und bleibt in meiner Nase hängen.
Hin - und wieder zurück.
Pause
Irgendwo ganz vorne hat ein kleines Kind gerade beschlossen, dass ihm irgendetwas nicht passt, und fängt lauthals an zu schreien.
10 Minuten später: Ruhe
Pause
Auch heute gibt es wieder diverse Sonder-Angebote der Fluggesellschaft, die nun verkauft werden wollen.
Hin - und wieder zurück.
Pause
Nun möchte sich auch meine Sitznachbarin in die hintere Räumlichkeit begeben.
Aufstehen - hinsetzen.
Hin - und wieder zurück.
Aufstehen - hinsetzen.
Pause
Langsam bemerke ich, wie sich meine üblichen Flug-Kopfschmerzen einstellen …
Ich versuche eine kleine geführte Meditation zu machen.
Aber ich kann mich nicht darauf konzentrieren.
Pause
Die Bord-Crew beginnt den Müll einzusammeln.
Hin - und wieder zurück.
Pause
Durchsage: „Wir beginnen nun mit dem Sinkflug und bitten Sie …“
Was für ein Segen!
Und ich denke: Eigentlich ein harmloser Flug. Noch nicht einmal Turbulenzen. Geht doch.
Aber nun beginnt mein Körper zunehmend mit all den Düften, Gerüchen, Keimen, Viren, diversen Partikeln aus der Kabinenluft und sonstigen Frequenzen, die an mir hängen geblieben sind, zu arbeiten. Eine Migräne macht sich langsam, aber deutlich breit.
Und ich frage mich, warum ich dieses Leid all die Jahre während und nach dem Flug eigentlich aushalten muss.
Für normal-sensible Menschen ist dieses alles sicherlich kein Problem.
Aber für hochsensible Menschen ist es oft die Menge der vielen verschiedenen Reize,
die mit unterschiedlich stark ausgeprägten Sinnen intensiv aufgenommen und detaillierter und länger verarbeitet werden wollen.
Es gibt eine gute Nachricht:
Während der letzten drei Flüge hatte ich einen Fensterplatz!
Ich habe diese Flüge in meiner kleinen geschützten Ecke äußerst zufrieden und unbeschadet überstanden!
Der Fenster-Platz im Flugzeug
– Was für ein Segen!
Herzlichst Deine Kim
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