Das bin ich – vor einigen Jahren ...
Ich bin hochsensibel,
jedoch weiß ich es zur Zeit
dieser Kurzgeschichte
noch nicht – bewusst.
Mit dieser Geschichte gebe ich Dir
einen kleinen Einblick rund um
einen meiner früheren Büro-Alltage.
Vielleicht findest Du Dich hier ja
auch ein Stück weit wieder.
6:15 Uhr.
Der Wecker klingelt unangenehm. Ich wollte mich eigentlich schon länger um ein anderen kümmern. Ich spüre ein einseitiges Stechen im Kopf. Oh nein, nicht schon wieder. Eine Migräne-Attacke bahnt sich an. Mir ist leicht unwohl und schwindelig. Trotzdem stehe ich auf – pflichtbewusst, wie ich bin – und versuche in den Tag zu starten. Eine Tasse Kaffee und etwas Müsli werden schon für den nötigen Schwung sorgen. Danach bekomme ich dazu noch Bauchkneifen. Im Bad rasiert sich gerade M. (mein damaliger Freund und jetziger Ehemann). Das Geräusch des Rasierapparates hört sich auch hinter verschlossener Tür heute besonders unerträglich an.
7:05
Das ist Bad frei. Ich bin langsamer gestartet als sonst und spüre einen innerlichen Druck. Die Zeit sitzt mir im Nacken. „Je später es wird, desto dichter wird der Verkehr!“, denke ich und werde unruhig. Weitere Gedanken kreisen im Kopf: „Soll ich jetzt schon ein Triptan wegen der beginnenden Kopfschmerzen nehmen oder noch warten?“ Ständig so viele Medikamente sind ja auch nicht gut. Soll ich wirklich zur Arbeit fahren oder lieber zu Hause bleiben? Ich möchte nicht schon wieder fehlen! Heute stehen außerdem noch eine wichtige Besprechung und verschiedene Buchungen zum Monatsabschluss im Büro an. Da kann ich nicht fehlen.“
7:20
Natürlich beschließe ich zur Arbeit zu fahren, das Triptan vorsichtshalber in der Tasche.
Es kommt durch die Verspätung, wie vermutet, zu mehr Verkehr. Das ständige Stop-and-Go durch die Stadt nervt mich. Ich habe eine Straßenbahn vor mir, die nicht weiterfährt. Ein LKW blockiert vor ihr die Strecke. Und wieder kommen Gedanken auf: „Die Besprechung ist um 9:00 Uhr und ich möchte mich noch gründlich (durchschlagender Perfektionismus) dafür vorbereiten. Jetzt ist es 7:45 Uhr. Schaffe ich das?“
Weiter geht’s.
7:55
Endlich angekommen – im Großraumbüro!
Die meisten Kollegen/Kolleginnen stehen in der Abteilung zusammen und halten ihre Morgen-Kaffee-Runde ab. Das fehlt mir jetzt gerade noch! Ich schalte meinen Rechner an, mache meinen üblichen Begrüßungsrundgang und möchte dann direkt mit den Vorbereitungen beginnen. Die Kollegen/Kolleginnen rufen mich zu ihrer Runde und das Telefon klingelt!
„Was jetzt zuerst?“
Ich lehne die Morgen-Kaffee-Runde mit dem Hinweis auf die Besprechung dankend ab
(ich weiß, daß mir meine Kollegen/Kolleginnen das nicht übelnehmen, da sie mich mit meiner etwas anderen Persönlichkeit nun schon eine Weile kennen) und kümmere mich um das Telefon. Ein Bauleiter – es gibt Probleme auf der Baustelle, Materialien fehlen, ein Mitarbeiter ist krank. Das kann ich zum Glück an den technischen Innendienst abgeben.
Ich bitte nun eine Kollegin, mein Telefon kurzfristig zu übernehmen, damit ich mich den Vorbereitungen ungestört widmen kann.
8:15
Meine Vorbereitungen können nun starten!
8:55
Puh, alle Vorbereitungen geschafft!
9:00
Die Besprechung verschiebt sich, da ein Kollege noch fehlt.
Na toll!
9:15
Los geht’s!
Durch die gute Vorbereitung läuft alles optimal.
Ich kann mich mit wichtigen Impulsen einbringen und mit Hilfe meiner vernetzten Denkweise Strategien für weitere Vorgehensweise empfehlen. Ich liebe es, andere Menschen zu unterstützen. Das freut mich in diesem Moment wirklich sehr!
10:00
Die Kopfschmerzen sind jedoch mittlerweile unerträglich und ich nehme eine Tablette,
um irgendwie weiter zu funktionieren. Ich denke: "Schade, wieder ein Medikament, was ja nicht unbedingt zur sonstigen Gesundheit beiträgt. Egal. Ich muss jetzt funktionieren."
Wirkzeit: ca. 1 Stunde.
Wird schon, irgendwann…
11:00
Die Tablette wirkt langsam und ich komme mehr und mehr zurück zur Ruhe und in meine Konzentration. Ein Glück!
10:00 – 14:30
Übliches Tagesgeschäft
(Angebote prüfen, Projekte überwachen, PM-Richtlinien kontrollieren, Plan-Zahlen zusammenstellen, E-Mails lesen und beantworten, Kunden betreuen, Kollegen helfen,
mit Kollegen in Kassel und Hannover telefonieren, mit dem Chef in Hamburg telefonieren, …)
Dazu weitere „Annehmlichkeiten“ aus dem Umfeld und aus der Umwelt:
· Durchzug – durch Klapp-Lüftungs-Fenster im Großraumbüro.
– Aber das Tuch ist ja immer dabei!
· Vorbeilaufende Kollegen
· Unterbrechungen durch Kollegen
· Unterbrechungen durch das Telefon
· Gespräche zwischen Kollegen
· Telefongespräche von Kollegen
· Klappern der Tastatur von Kollegen
· Stimmungen von Kollegen
· Gerüche bzw. Düfte von Kollegen
· Gerüche vom aufgewärmten oder erworbenen Mittagessen
· Drucker-, Kopier- und Rechnergeräusche
· Häufiges Zufallen der Brandschutztür zwischen Treppenhaus und Abteilungs-Etage
· Leuchtstoffröhren in der dunklen Jahreszeit
Das ist schon eine Menge – so nebenbei!
Ich bin übrigens heilfroh, dass Radios in der Abteilung nicht üblich sind;
– eine Geräuschquelle weniger.
Und – ich habe einen festen Arbeitsplatz am Fenster, wo ich mir alles passend für mich eingerichtet habe. Außerdem kann ich so durch den Blick nach draußen meinen hin und wieder aufkommenden Tagträumen Raum geben.
Zwischendurch
13:00
Mittagspause
Schnell etwa aus dem gegenüberliegenden Supermarkt holen und nebenbei am Arbeitsplatz essen. Das spart Zeit, wenn es auch insgesamt nicht immer gesund ist.
Auch der Bauch meldet sich danach wieder …
Da kommt das schlechte Gewissen hoch, aber ich denke: "Morgen mache ich es besser!"
14:30
Endlich wird es ruhiger.
Ich habe nun noch die termingerechten Buchungen zum Monatsabschluss zu tätigen.
Ich suche mir sämtliche Unterlagen dafür zusammen, recherchiere und rechne.
Dann kommt eine Kollegin zu meinem Platz. Diese hat gerade einen Konflikt mit einem anderen Kollegen und bittet mich um meine Ansicht, Meinung und Unterstützung dazu.
Ich denke: „Warum darf ich mich hier eigentlich um sämtliche menschlichen Spannungen kümmern? Ok, ruhig bleiben. Dann mache ich heute wohl mal wieder länger. Eigentlich fühle ich mich ja auch geehrt, dass ich bei zwischenmenschlichen Problemen oft angesprochen werde."
Ich höre mir alles in Ruhe an und gehe dann in der Rolle als Mediatorin mit ihr zum Kollegen. Beide sind etwas unnachgiebig in ihrer Position. Ich versuche zu vermitteln und erkläre mit meinen Worten den beiden jeweils den Standpunkt des anderen. Gegenseitiges Verständnis darf entwickelt werden. In meiner Rolle versuche ich alles zu geben; rege zum aktiven Zuhören an und versuche mit offener Kommunikation, gegenseitigem Respekt und Toleranz gemeinsam mit ihnen Lösungen und Kompromisse zu finden.
Es geht bei solchen Konflikten meistens um Kommunikationsprobleme in Verbindung mit Gefühlen und Emotionen. Aufkommende Missverständnisse entstehen durch unterschiedliche Wahrnehmungen, Überzeugungen, Bedürfnisse und Werte. Manchmal handelt es sich auch um Macht und Kontrolle. Selten geht es um den objektiven Sachverhalt.
Nach einiger Zeit waren die Unstimmigkeiten beseitigt und wir konnten uns alle wieder an die Arbeit begeben.
15:30
Weiter geht’s!
Nach vielen Recherchen in den Akten und am Computer und noch mehr Rechnerei kann ich nun die erforderlichen Buchungen tätigen.
Solche Arbeiten lege ich mittlerweile aus Erfahrung gerne auf den ruhigeren Nachmittag, selbst, wenn ich dafür etwas länger bleiben muss.
17:15
Die meisten Kollegen sind schon im Feierabend.
Ich mache mich schließlich auch auf den Heimweg.
Ich denke: "Gut, dass ich auf den ÖPNV verzichten kann."
– Berufsverkehr, Staus, rote Ampeln – wirklich besser?
– Ne, aber ok, und unfallfrei nach so einem Tag… ein Segen!
17:55
Zu Hause! Endlich! Geschafft!
M. ist bereits da und fragt:
„Hast Du noch Lust etwas leckeres Essen zu gehen?“
Als hochsensibler Mensch kennst Du die Antwort vermutlich…
und wie der Abend weitergeht ... auch!
Ich denke, Du findest Dich zumindest teilweise in dieser Kurzgeschichte wieder.
Herzlichst Deine Kim
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